Von Klaus Stein
Ist das Projekt "TALIS" gestorben? Das vor einigen Jahren als Integrationsfirma konzipierte gemeinnützige Unternehmen, deren Gesellschafter neben den Behindertenorganisationen Lebenshilfe Speyer-Schifferstadt und der Interessengemeinschaft Behinderter und ihrer Freunde (IBF) auch die Stadt Speyer sowie der Rhein-Pfalz-Kreis werden sollten, steht nach Recherchen von speyer-info zumindest auf der Kippe.

Mit "TALIS" sollte die Behindertentransporte als wichtiger Bestandteil für Menschen mit Beeinträchtigungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dauerhaft sichern. Außerdem hätten Behinderte und Nicht-Behinderte bei "TALIS" Arbeitsplätze finden sollen.
Derzeit gibt es in Rheinland-Pfalz 70 Integrationsfirmen mit etwa 2.200 Beschäftigten, davon fast 900 mit einer Behinderung. Seit Anfang des Monats gehört auch die Stadt Speyer mit einem Integrationsprojekt auf dem Friedhof dazu. Der Landesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen, Matthias Rösch, machte sich in der Vergangenheit auch bei seinen Besuchen in Speyer für Integrationsbetriebe stark. "Die barrierefreie Nutzung von Bussen und Bahnen oder die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs ist für behinderte Menschen von besonderer Bedeutung für die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", heißt es auf der Internetseite des Landes zur Inklusion.
Warum es bei "TALIS" trotzdem offensichtlich klemmt, haben wir die Beteiligten gefragt: "Für die Beteiligung einer Kommune an einem wirtschaftlichen Unternehmen nach den §§ 85 ff GemO gelten die besonderen gesetzlichen Vorgaben, sodass unter anderem die Zustimmung der ADD (Aufsichtsbehörde) erforderlich ist. Insbesondere ist dabei darzulegen, ob es sonstige private Anbieter*innen in Speyer beziehungsweise in der näheren Umgebung gibt, die bereits ähnliche Fahrdienste anbieten. Darüber hinaus handelt es sich hierbei um eine freiwillige Leistung, die von der ADD genehmigt werden muss", so die Antwort von Jennifer Braun, der persönlichen Referentin der Oberbürgermeisterin. Weiter schreibt sie: "Hinzu kommt, dass das Land Rheinland-Pfalz derzeit ein neues Nahverkehrsgesetz erarbeitet und der komplette Nahverkehr neu organisiert wird. In diesem Zusammenhang wird auch die Thematik Bürgerbus für ältere Menschen sowie Menschen mit Beeinträchtigung neu bewertet und gegebenenfalls auch neu ausgerichtet werden müssen. Aus diesem Grund hat die Oberbürgermeisterin der IBF mitgeteilt, dass das Projekt "TALIS" zunächst zurückgestellt wird und nach Vorlage des neuen Nahverkehrsgesetzes und den daraus resultierenden Änderungen neu bewertet werden muss."
Auch bei Martin Zimmer, Geschäftsführer der Lebenshilfe Speyer-Schifferstadt, klingt einige Skepsis durch: "Die Gründung eines Integrationsunternehmens setzt hohe Schwellen. Es ist die Erstellung eines Business-Plans sowie eines lückenlosen zukunftsfähigen Konzeptes erforderlich. Die reine Gründung eines Integrationsunternehmens als Fahrdienst sah im ersten Schritt die Schneider Organisationsberatung als kritisch an. Die Gründung zweier solcher Integrationsunternehmen, die aber wesentlich diversifizierter aufgestellt sind, hatte ich bereits zuvor bei meinem alten Arbeitgeber mitgestaltet und kann berichten, dass dies ein nicht zu unterschätzendes Unterfangen ist, so dass ich die erste Einschätzung der Schneider Organisationsberatung teilen kann." Zimmer weist darauf hin, dass in Corona-Zeiten einige Integrationsbetriebe Insolvenz angemeldet hätten. Insofern beschäftige man sich gerade mit der Frage, ob die Ausgestaltung als Integrationsunternehmen zukunftsfähig ist oder Talis als ein "herkömmliches" Unternehmen – selbstverständlich mit der Offenheit, auch den ein oder anderen Menschen mit Behinderung zu integrieren, aber ohne die Vorgabe von strikten Quoten zur Integration - konzipiert werden sollte. "Unabhängig von der Ausgestaltung muss die Wirtschaftlichkeit, zumindest in der Prognose des Abschlusses einer schwarzen Null, langfristig gegeben sein", so Zimmer abschließend.
Für die IBF hat Henri Franck gemeinsam mit der ehemaligen Vorsitzenden Petra Spoden von der Mitgliederversammlung den Auftrag, die Gründung von "TALIS" zu realisieren. Auch ihn haben wir gefragt, wie der Stand der Dinge sei: "Zurzeit hängt die Gründung der gGmbH, die für den Fahrdienst als Integrationsbetrieb erforderlich ist, an der Frage, ob die Stadt Speyer sich hieran beteiligen darf. Dies wäre nicht möglich, sofern eine Konkurrenz zu privat-gewerblichen Anbietern bestünde. Diese Frage prüft die ADD, an die sich die Stadt bereits gewandt hat und die noch Nachfragen gestellt hat. Aufgrund der Belastung durch die Corona-Krise, ist die Beantwortung der gestellten Fragen bislang nicht möglich gewesen. Sie soll aber nach meinen Informationen demnächst erfolgen. Ich stehe mit der zuständigen Bearbeiterin in Kontakt. Freilich ist - mit den erneuten Infektionen- deren Zeitbudget auch nicht größer geworden. Eigentlich waren wir sehr zuversichtlich, das Ganze im Frühjahr über die Bühne geht. Jetzt wird es wohl Herbst werden, sofern nichts dazwischen kommt."
Bei einem Gespräch am 16. Juli soll ausgelotet werden, ob "TALIS" noch eine Chance hat. (Foto: ks)