Von Klaus Stein
Seit vielen Jahren kämpft der Speyerer Volker Ziesling für ein Umdenken, wenn es um den deutschen Wald geht. Die von ihm initiierte Bürgerinitiative (BI) "Waldwende jetzt" hat inzwischen Anhänger in ganz Südwestdeutschland, die sich beispielsweise in Heidelberg und Mannheim, aber auch in Karlsruhe, Koblenz oder Frankfurt für den Erhalt des Waldes, seiner Artenvielfalt und seiner Funktion als Erholungsort für Menschen einsetzen. 

Aber wer ist dieser Volker Ziesling und warum setzt er sich so vehement für eine "Waldwende" ein? Woraus bezieht er die Kompetenz für die Kritik an der herkömmlichen Waldwirtschaft?
Der 64-jährige Speyerer hat nach dem Abitur ein Studium in Forstwissenschaft an der Universität Freiburg absolviert. "Zwar war mein Vater Ingenieur, aber als Kinder waren wir am Wochenende immer im Pfälzerwald wandern. Da baute ich eine Beziehung zum Wald auf", sagte Ziesling im Gespräch mit unserer Zeitung.
Nach dem Studium machte er sein Referendariat beim Forstamt Bellheim.
Danach wechselte er nach Otterberg. Dort war der Domstädter der jüngte Forstamtsleiter in Rheinland-Pfalz. Schnell machte er Karriere bei Landesforsten, zuständig für den Staatswald in Rheinland-Pfalz. 2002 wurde Ziesling Abteilungsleiter bei der Forstdirektion der Struktur- und Genehmigungs-Direktion (SGD) Süd in Neustadt. Er war in dieser Zeit unter Anderem Zuständig für den Haushalt, Personal, Organisation und Qualitätsmanagement. "Ich habe immer die innovativen Bereiche bearbeitet", so Ziesling. Vor allem im Bereich "Controlling" bekam er Einblicke in die wirtschaftliche Realität von Landesforsten: "Es wurde immer so dargestellt, als ob der Forstbetrieb kostendeckend sei, aber das ist ein Märchen, denn die leben von Subventionen. Jährlich muss der Landesforst mit 100 Millionen Euro subventioniert werden." Dabei sie es eine relativ kleine Fläche, denn etwa 50 Prozent des Waldes gehörten den Kommunen. Auch sei bei ihm schon vor mehr als zehn Jahren die Erkenntnis gereift, dass die strategische Ausrichtung der Forstpolitik des Landes auf den wirtschaftlichen Bereich nicht ausreiche, denn wesentliche Aspekte des Waldes wie Artenvielfalt, Nachhaltigkeit und Erholung spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. "Das konnte und wollte ich nicht mehr mittragen." So entwickelte er ein Controlling-System, bei dem es nicht nur Messziffern für die Betriebswirtschaft gab sondern bei dem auch die anderen Punkte mit berücksichtigt wurden. "Da wäre dann auch transparent geworden, wie die Entwicklung ist, ob die politisch formulierten Ziele auch erreicht werden. Das stieß aber auf wenig Gegenliebe, denn solche Transparenz ist nicht erwünscht", so Zieslings Fazit.
Auch habe man für das Umweltministerium einen Staatssekretär aus Nordrhein-Westfahlen geholt, der nach Zieslings Erfahrung als Jurist keine Ahnung von der Materie Wald hatte. Der habe nur eine Parole ausgegeben: ein kostendeckendes Finanzergebnis. "Als in einem Jahr klar war, dass ein Defizit von zehn Millionen Euro droht gab er die Anweisung, zusätzlich 100.000 Festmeter Fichtenholz zu schlagen, um damit den Fehlbetrag auszugleichen. Da war für mich klar: wenn alle anderen Ziele keine Rolle mehr spielen, mache ich das nicht mit."
Für den inzwischen leitenden Forstdirektor blieb als Konsequenz nur der Gang an die Öffentlichkeit, wodurch er endgültig zum "Forstrebell" wurde.
Als er die BI "Waldwende" gründete, da hatte er den Speyerer Stadtwald im Sinn, der seit etwa 25 Jahren "übernutzt" wird, sodass die Holzmenge je Hektar nur zirka die Hälfte des Landesdurchschnitts beträgt. Für den Forstexperten ist das Raubbau am Wald: "Wir haben in Deutschland keine Berechtigung, mit dem Finger auf Andere zu zeigen." Zu diesem Zeitpunkt wurde er Mitglied bei den Grünen, die Interesse an der Thematik Stadtwald zeigten. "Ich habe dann realisiert, dass es in der ganzen Region kaum besser aussieht, denn die BI zog immer weitere Kreise. Die Forstämter interessiert meist nur der Wald als Holzlieferant."
Dieses Engagement sei bei Landesforsten auf wenig Gegenliebe gestoßen. So habe man seine Kompetenzen beschnitten und ihn mit einer Fülle teilweise offensichtlich unbegründeter Dienstaufsichtsbeschwerden überzogen, regelrechtes Mobbing betrieben.
"Wenn die mir als leitendem Forstdirektor schon so zusetzen können, einen kritischen Revierförster können sie platt machen." Nur so könne das Bild von der heilen "Forstfamilie" aufrecht erhalten werden.
Seit Mitte 2022 ist der Vater von drei erwachsenen Töchtern im Ruhestand. Seinem Arbeitgeber weint er keine Träne nach.
Zieslings Bemühungen haben durchaus Erfolg. So verzichtete die Stadt Speyer im Dezember nach einem Ortstermin im Wald erst einmal auf geplante Holzfällungen. Zwischen den Jahren erstattete er Strafanzeige gegen das Forstamt Pfälzer Rheinauen. Aufmerksame Bürger*innen hatten mitbekommen, dass im südpfälzischen Hördt Bäume mit Höhlen der Axt zum Opfer gefallen waren, in denen Fledermäuse und verschiedene Spechtarten ihre Heimstatt hatten. Auch ein akut vom Aussterben bedrohter und unterhöchstem Schutz stehender Käfer mit Namen "Heldbock" (oder Großer Eichenbock) war wohl seiner Lebensgrundlage beraubt worden. Das sei ein Straftatbestand in Schutzgebieten der europäischen Norm "Natura 2000", so Ziesling.
Seit 2022 ist Volker Ziesling Stadtrat bei den Grünen. Auch in diesem Gremium begnügt er sich nicht mit einem "Hinterbänkler"-Dasein sondern ist schnell ein wichtiger Aktivposten in der Kommunalpolitik geworden. Die Stadtbegrünung als Maßnahme zur Linderung der Folgen des Klimawandels wird auch in Speyer eines der zentralen kommunalpolitischen Themen sein, wo er seine Fachkompetenz einbringen kann.
Immer noch scheinen die Verteter der bisherigen Forstpraxis einer rigorosen Waldausbeuzung eine starke Lobby zu haben, denn Ziesling wehrt sich aktuell gegen einen Artikel in einer regionalen Zeitung der er vorwirft, Fakten falsch dargestellt und ihn nicht korrekt zitiert zu haben.
Info: www.waldwende-jetzt.de