Von Michael Stephan
Schon Gabriele Münter und Wassily Kandinsky haben sich von der schieren Motivflut im Blauen Land inspirieren lassen. Da gibt es diese Plätze, die einen zum Staunen bringen, die Blicke auf Moor, Seen und Berge offenbaren und die man so schnell nicht wieder vergisst.

Der "Blaue Reiter" entstand am Kaffeetisch in einer Gartenlaube in Sindelsdorf. Hier saßen die beiden Expressionisten Wassily Kandinsky und Franz Marc einst Murnau01
zusammen und erfanden den Namen, den ihr Schaffen heute noch trägt. "Beide liebten wir Blau, Marc – Pferde, ich – Reiter. So kam der Name von selbst", berichtete Kandinsky. Sie liebten Murnau, das Volkstümliche, die Natur im Süden von München. Und das Licht: Blau schimmern die Berge im Sommer über dem Murnauer Moos in der Dämmerung, ein Malerland. Murnau und Kunst gehören zusammen. Dies wird augenscheinlich bei einem Rundgang durch Murnau und Umgebung – immer auf den Spuren der Künstler.

Münterhaus:
Zwischen 1909 und 1914 hielten sich Gabriele Münter und Wassily Kandinsky immer wieder für längere Zeit im Münter-Haus auf. Die häufigen Besuche anderer Maler wie Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin sowie des Komponisten Arnold Schönberg ließen es zu einem bedeutenden Treffpunkt der Avantgarde werden. Münter rettete den unermesslichen Schatz an Bildern von Kandinsky in einem Versteck im Keller über die Zeit des Nationalsozialismus. Die Künstlerin wurde 1931 in dem Haus sesshaft und lebte dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1962, ab 1936 gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Johannes Eichner. Das Münter-Haus und die Gartenanlage vermitteln mit der erhaltenen Einrichtung und den Kunstwerken einen lebendigen Eindruck der Atmosphäre, die hier vor dem Ersten Weltkrieg herrschte.

Schlossmuseum Murnau:
Das Schlossmuseum befindet sich seit 1993 im ehemaligen Pflegschloss in der Ortsmitte. Es widmet sich mit seiner breit gefächerten Dauerausstellung und Sonderausstellungen der Kunst- und Kulturgeschichte, die mit Murnau unmittelbar verbunden ist. Neben der umfangreichsten öffentlich gezeigten Sammlung von Werken Gabriele Münters und den Werken der "Neuen Künstlervereinigung München" (Alexander Kanoldt, Adolf Erbslöh, Marianne von Werefkin und Alexej Jawlensky) befindet sich hier die einzige ständige Dokumentation zum Leben und Werk des Schriftstellers Ödön von Horvath, der zwischen 1923 und 1933 überwiegend in Murnau lebte.

Staffelsee:
Sieben Inseln verleihen dem beliebten Badesee seinen besonderen Charakter. Während der Saison besteht die Möglichkeit zu einer Schiffsrundfahrt. Jedes Jahr an Murnau03
Fronleichnam findet die traditionelle Seeprozession in Seehausen statt. Ein Rundwanderweg (30 km) führt teils am Ufer entlang, teils durch unberührte Moorlandschaft und Dörfer. "Bei großer Hitze gebadet, gerudert, an Jugendzeit gedacht, wo ich den halben Tag auf dem Wasser war", so beschreibt die an der Nordsee geborene Schriftstellerin Franziska Gräfin zu Reventlow ihren Sommerurlaub am Staffelsee 1901. Sie war eine von vielen Prominenten, die schon vor über 100 Jahren Murnau besuchten.

Murnauer Moos:
Das Murnauer Moos dehnt sich südlich von Murnau bis nach Eschenlohe und westlich nach Grafenaschau aus. Es ist hinsichtlich seiner Größe und Geschlossenheit, der Landschaftsformen sowie der Tier- und Pflanzenwelt einmalig in Mitteleuropa. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts spielten die Gewinnung von Streu Murnau06
und das Torfstechen eine wichtige Rolle. Der seit dem 19. Jahrhundert betriebene Gesteinsabbau an den sog. Köcheln und Kögeln endete im Jahre 2000. Dank der intensiven Schutzbemühungen insbesondere von Prof. Max Dingler und Dr. Ingeborg Haeckel wurde das Murnauer Moos 1964 zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Die Kernfläche wurde 1980 auf 23 qkm ausgedehnt. Erholungssuchende finden auf dem markierten Rundwanderweg (12 km) Ruhe und Entspannung. Achtung: Weg nicht verlassen – im Moor besteht Lebensgefahr!

Meditationsweg Ammergauer Alpen im Blauen Land:
Der Weg führt über sechs Streckenabschnitte mit insgesamt zwölf Stelenstandorten, beginnend an der Rochuskapelle in Bad Kohlgrub und bis hin nach Ettal führend. Die Texte auf diesen Holzstelen beziehen sich auf die einzigartige Natur- und Kulturlandschaft, auf Orte christlichen wie vorchristlichen Glaubens, auf kulturelle Traditionen und historische Entwicklungen sowie auf namhafte Künstler, die diese Region geprägt haben. Während des meditativen Begehens dieses Weges offenbart sich uns die ganze Fülle des Blauen Landes an Wiesen und Wäldern, Seen, Mooren und Anhöhen mit herrlichen Ausblicken. Und immer wieder, eingebettet in die Landschaft, kostbare Orte und meditative Texte, die einladen, sie zu erspüren, nachzuempfinden und auf sich wirken zu lassen. Ein inspirierendes Zusammenspiel von Natur und Kultur, von Glaube und Tradition, ruht tief verwurzelt in dieser Landschaft, darauf wartend, sich dem spirituell Suchenden zu erschließen. Auf dem Murnau05
Meditationsweg kommen wir nahe Murnau zur Stele 2, dem "Ähndl". Das Ramsachkircherl, im Volksmund liebevoll "Ähndl" (Ahnin, Urahnin) genannt, soll die älteste Kirche Oberbayerns sein, vermutlich im 7. Jahrhundert durch den Hl. Mang gegründet. Zu dem mit einer Mauer eingefriedeten Kirchhof gehörte früher auch ein Beinhaus. 1634, als in Murnau die Pest wütete, trug man viele Tote hier zur Bestattung. Ein Kirchlein wie das Ähndl ist nicht nur ein Ort der Andacht und des Gebetes, Murnau04
es ist ein Ort jahrtausendealter religiöser Kulturgeschichte. So weist uns der Schutzpatron St. Georg auf die alte Überlieferung eines heidnischen Kultplatzes hin, gilt er doch als Drachentöter, Streiter gegen das Böse. Im Innern des Kirchleins ist jedes einzelne Stück, jedes Bild, jede Statue ein Zeugnis aus alter Zeit. Neben vielen anderen Kostbarkeiten, wie einer Muttergottes von etwa 1300, beherbergt das Ähndl eine uralte, handgeschmiedete Eisenglocke, wie sie von den schottischen Mönchen aus der Zeit des 8. Jahrhunderts bekannt sind. Diese Handglocke ist sakralhistorisch die älteste und bedeutendste Glocke Deutschlands. "Stille ist ein Schweigen, das den Menschen Augen und Ohren öffnet für eine andere Welt" (Serge Poliakoff). "Mögen wir achtsam und mit wachen Sinnen weiterwandern, um dieses Paradies für uns zu entdecken! Um Schönheit und Beschaulichkeit, wie sie uns hier begegnen, in uns aufzunehmen und im Herzen mit zu tragen". So steht es auf einer der Stelen des Meditationswegs geschrieben.

Infos: Tourismusgemeinschaft Das Blaue Land, Untermarkt 13, 82418 Murnau; Tel. 08841/61410; www.dasblaueland.de; www.murnau.de
Münter-Haus, Kottmüllerallee 6, 82418 Murnau, Tel. 08841/628880, Öffnungszeiten Di.-So. 14.oo-17.oo Uhr; www.muenter-stftung.de
Schlossmuseum Murnau, Schlosshof 4-5, 82418 Murnau; Tel. 08841/476201; 14.oo – 17.oo Uhr; www.schlossmuseum-nurnau.de