Einer von fünf Arztterminen hat nicht-medizinische Gründe, wie Einsamkeit oder finanzielle Sorgen. Das englische Konzept der "Sozialen Verschreibung" verbindet Menschen mit Aktivitäten in Gemeinschaften, die diese Probleme angehen und Gesundheit und Wohlbefinden im Allgemeinen fördern können.

Im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) fand zu diesen Ansätzen ein Workshop statt, bei dem auf Initiative von Insa Schrader, Berlin, und Einladung von mpk-Direktor Steffen Egle Akteure und Akteurinnen aus ganz Deutschland dieses relevante Thema diskutierten. Mit dabei waren wichtige Kontaktpersonen aus der Region: Tanja Hermann, Betriebsdirektorin des Pfalztheaters Kaiserslautern, und Dr. Christoph Dammann, Direktor des Kulturreferats der Stadt Kaiserslautern, sowie Vertreter und Vertreterinnen des Pfalzklinikums Klingenmünster.
Auch in anderen europäischen Ländern gibt es bereits entsprechende Studien und Projekte. In England wurde 2019 die National Academy of Social Prescribing gegründet. Im Kern geht es darum, Kontakte zwischen Ärztinnen und Ärzten, medizinischen und Pflegeeinrichtungen zu Orten, Einrichtungen und Personen herzustellen, wo Menschen, die nicht oder nicht nur medizinisch therapiert werden sollen, einen Raum finden, wo sie auf andere Menschen treffen, gemeinsam etwas Schönes erleben oder auch selbst kreativ werden können. In Großbritannien, Kanada und mehreren skandinavischen Ländern wird inzwischen sogar "Kultur auf Rezept" verschrieben.
Erkrankte Menschen können so umsonst ins Konzert, Theater oder ins Museum gehen. Kunst und Kultur unterstützen die Gesundheit: Das Arts Council England wies nach, dass Arztbesuche um 37 Prozent und Krankenhauseinweisungen um 27 Prozent zurückgehen, wenn Menschen regelmäßig Kultureinrichtungen besuchen. Die Lebenszufriedenheit steigt und das innere Wohlbefinden nimmt zu, stellte die Weltgesundheitsorganisation fest, nachdem sie 2019 in einer Metastudie 900 Studien zur Wirkung von Kunst auf Gesundheit und Wohlbefinden ausgewertet hat. Im Rahmen des "Kunst auf Rezept"-Programms in Schweden gehen Menschen mit einer psychischen Erkrankung, etwa einer Depression oder Phobie, in einem Zeitraum von zehn Wochen zwei Mal pro Woche in Museen, ins Theater oder in die Oper.
Das nun von den Workshop-Teilnehmenden als Verein gegründete "Healing Culture Network" will "Healing Culture" in Deutschland ins Bewusstsein und in die breite Anwendung bringen. Dafür wird der Verein Partnerschaften zwischen Akteuren und Akteurinnen der Gesundheitsversorgung sowie Pflege und Kulturschaffenden, Gesundheits-, Sozial- und Kultureinrichtungen sowie Forschung und Lehre wie auch Politik und Zivilgesellschaft initiieren und aufbauen. Darüber hinaus möchte er bei der Identifizierung von Fördermöglichkeiten unterstützen, Formate für Wissenstransfer entwickeln sowie eine Daten- und Wissensbasis aufbauen. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, mit seiner Arbeit zu einer ganzheitlichen Perspektive auf Gesundheit und Wohlbefinden beizutragen und daran interessierte Menschen und Institutionen miteinander zu verbinden – auch auf internationaler Ebene, insbesondere gemeinsam mit Partnerorganisationen.
"In der aktuellen Ausgabe unseres Kultur- und Bildungsmagazins ‚Lutra‘ haben wir den Schwerpunkt auf ‚Kultur und Gesundheit‘ gesetzt und damit wohl einen Nerv getroffen", stellte Dammann fest. Er habe die Satzung des neuen Vereins entworfen, die nun einstimmig angenommen worden sei. Die Gründungsmitglieder kämen aus medizinischen und kreativen Berufen aus dem gesamten Bundesgebiet; der Verein werde seinen Sitz in Berlin haben. "Ich freue mich sehr, dass unser Workshop im mpk so schnell zu einer konkreten Umsetzung geführt hat", zeigte sich Egle angetan. Der Anstoß dazu sei von der Berliner Architekturjournalistin Insa Schrader gekommen, die nun auch zur Vereinsvorsitzenden gewählt wurde. Nun gelte es, schnell viele Mitstreitende zu gewinnen.