Im Blick auf die Beratung des Deutschen Bundestages über eine Neuregelung der Organspende in Deutschland - die Entscheidung fällt in dieser Woche - verdeutlichen der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann und der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz Christian Schad den Standpunkt der beiden Kirchen.

"Wir unterstützen das Ziel, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu erhöhen. Die Organspende betrachten wir dabei als Ausdruck einer von Nächstenliebe und Solidarität bestimmten Haltung, die höchste Anerkennung verdient“, erklären Schad und Wiesemann. Sie dürfe jedoch nicht allgemein zur moralischen Pflicht erklärt werden. „Aus christlicher Sicht muss eine Organspende immer die Frucht einer persönlichen Auseinandersetzung und das Ergebnis einer freiwillig getroffenen Entscheidung sein.“
Sie wenden sich mit diesem Standpunkt gegen den Gesetzentwurf zur doppelten Widerspruchslösung. Ihr zufolge wird jeder Mensch grundsätzlich zum Organspender definiert, es sei denn, er hat zu Lebzeiten explizit widersprochen. „Die Widerspruchslösung sehen wir als ethisch, rechtlich und seelsorglich hoch problematisch an“, untermauern Kirchenpräsident und Bischof ihren gemeinsamen Standpunkt. Eine Organspende bedeute einen schwerwiegenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen. „Eine informierte und explizit erteilte Einwilligung erscheint uns als Voraussetzung dafür zwingend notwendig. Anders kann ein so tiefgehender Eingriff in den Kernbereich der menschlichen Existenz und Würde nicht begründet werden.“ Mit der Widerspruchslösung würde erstmals auf dem Gebiet der Medizinethik die ausdrückliche Einwilligung durch eine vermutete Zustimmung ersetzt, und das in dem besonders sensiblen Bereich des Sterbens. „Das halten wir für nicht verantwortbar“, so Wiesemann und Schad.
Sie befürworten den alternativ vorgelegten Gesetzesentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende, die sogenannte Zustimmungslösung. Diese hält an der Voraussetzung der aktiv gegebenen Zustimmung fest. „In unseren Augen ist das der bessere Weg.“ Zugleich bewerten Schad und Wiesemann positiv, dass dieser Gesetzesentwurf bei einer genauen Analyse der strukturellen Schwächen im bisherigen Transplantationsverfahren ansetzt. Denn der Bereitschaft zur Organspende stehe vor allem der Vertrauensverlust in die Transplantationsmedizin entgegen. Er sei Folge mehrerer Skandale in der Vergangenheit, bei denen gravierende Mängel im Ablauf einer Organtransplantation aufgedeckt wurden. Die Zustimmungslösung erscheint Schad und Wiesemann „geeignet, hierbei Abhilfe zu schaffen, das Vertrauen in die Organspende zu erhöhen und die Menschen zu befähigen, eine informierte Entscheidung zu treffen.“ Sie verbinden dieses Votum mit der Zusage, dass sich die beiden Kirchen an einer solchen Aufklärung und Information nach ihren Möglichkeiten weiterhin beteiligen werden.