Von Klaus Stein
Als "100-Prozent-Steffi" wurde die neue Speyerer Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler in den sozialen Netzwerken bezeichnet. Das war gemünzt auf ihre Wahl zur Unterbezirksvorsitzenden der SPD, bei der sie alle Stimmen bekam. Dieses Prädikat lässt sich aber auch auf ihre einjährige OB-Amtszeit anwenden. Sie hat von Beginn an mächtig Gas gegeben, zeigte viel öffentliche Präsenz, hat etliches angepackt.

Ihr Hauptaugenmerk galt der Verwaltung. Bereits nach wenigen Wochen sprachen Mitarbeiter*innen von einer "Aufbruchsstimmung". In vielen Gesprächen hat Seiler ausgelotet, wo bei der Belegschaft der Schuh drückt und entsprechende Maßnahmen zur vorsichtigen Umstrukturierung ergriffen.
Ihr war klar, die sie die hochgesteckten Erwartungen an ihre Amtsführung nur mit einer gut funktionierenden Verwaltung erfüllen kann.
Sie blieb ihrer Linie treu, die sie schon in ihrer Beigeordnetenzeit praktiziert hatte, sich bei Vorwürfen nach außen vor ihre Mitarbeiter*innen zu stellen, intern aber "Tacheles" zu reden.
Beim Umsetzen ihres Wahlversprechens, für relativ bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, hat die neue OB ebenfalls einige Aktivitäten entfaltet. In der "Waldstraße" sollen jetzt Wohnungen gebaut werden und in der Wintternheimer Straße hat sie in Gesprächen mit den Bauherren errreicht, dass dort Mietwohnungen entstehen.
Etwas im Stich gelassen hat sie ihr ansonsten gut ausgeprägtes politisches Gespür beim Thema "Industriehof". Während sie der Meinung war, dass alles klar und transparent sei, sahen es zahlreiche Bürger*innen ganz anders. Das ziemlich neue, bisher in Deutschland noch nirgends umgesetzte Konzept eines "Urbanen Gebiets" auf dem Gelände der ehemaligen Zelluloydfabrik, stieß auf Skepsis. Hauptkritikpunkt einer Bürgerinitiative war das ihrer Ansicht nach schwierige Verhältnis des dort ansässigen Gewerbes im Zusammenhang mit einer benachbarten, verdichteten Wohnbebauung. Nach Meinung der Bürgerinitiative, an der sich zahlreiche Industiehof-Mieter beteiligten, wurde von Verwaltungsseite nicht mit offenen Karten gespielt. War es Zynismus der Investoren, dass die Halle bei einer dem Stadtratsbeschluss im Dezember schnell vorgeschalteten Info-Veranstaltung rosarot ausgeleuchtet war? Tatsache ist, dass die Öffentlichkeit ein wachsames Auge darauf haben wird, was mit dem Industriehof geschieht.
Apropos Öffentlichkeit und Bürgerbeteiligung! recht Aktiv waren im vergangenen Jahr Organisationen wie "fridays for future Speyer", "inspired", diverse Fahrrad/Verkehrsaktivisten oder das "Zukunftsforum Speyer". Das gipfelte in einem gemeinsamen "ParkingDay" auf dem Königsplatz, der für einen Tag autofrei blieb.
Erweiterte Formen der Bürger*innen-Beteiligung waren ein weiteres Hauptanliegen von Stefanie Seiler in ihrem OB-Wahlkampf. Bisher sind es aber eher die altbekannten Formate, die 2019 praktiziert wurden. In einer Veranstaltung mit der Verwaltungs-Uni wurde im November ausgelotet, wie solch eine erweiterte Bürgerbeteiligung aussehen könnte. Dass ausgerechnet das "Zukunftsforum Speyer", das nicht eingeladen war, dort als Modell für neue Beteiligungsformen im Mittelpunkt stand, veranlasste Seiler in einer Pressemeldung zur Aussage, dass es zwar recht und gut sei mit Bürgerbeteiligung. Letztlich seien es aber die Gremien, die entscheiden würden.
Nicht richtig vorangekommen ist 2019 die Verkehrswende, ein weiteres zentrales Anliegen von Stefanie Seiler. Das ist aber auch ein ziemlich schwieriges politisches "Minenfeld", bei dem es ein starkes Rückgrat braucht, um den diversen Einzelinteressen standzuhalten. Hier könnten die bereits genannten Organisationen den politisch Handelnden den Rücken stärken.
Stefanie Seiler hat im vergangenen Jahr einiges in Bewegung gebracht, hat mit großem Elan versucht, verkrustete Strukturen aufzubrechen.