Von Seán McGinley
Die Männermannschaft des JSV Speyer hat sich in den letzten Jahren im vorderen Bereich der 1. Judo-Bundesliga etabliert und schließt immer mehr zu den absoluten Spitzenteams auf. Der sportliche Erfolg weckt immer wieder das Interesse einiger Vereine, die finanziell besser ausgestattet sind als der JSV.

So auch jetzt gerade, als vier Leistungsträger des Speyerer Bundesligateams – Pierre Ederer, Franz Haettich, Philip Müller und Patrick Schmidt – lukrative Angebote erhalten habe, um in der kommenden Saison in ein anderes Team zu wechseln. Doch für das Quartett ist klar – sie bleiben dem JSV treu.
Nach ihren Gründen gefragt, schildern alle vier unabhängig voneinander sehr ähnliche Eindrücke: Das Gefühl, sich beim JSV vom ersten Tag an willkommen zu fühlen sowie der große Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft und im ganzen Vereinsumfeld werden übereinstimmend genannt. Bei anderen Vereinen ist es häufig so, dass das Bundesligateam zum Kampftag zusammenkommt und nach den Kämpfen gleich wieder auseinandergeht. Dass Bundesligakämpfer auch im normalen Trainingsbetrieb des Vereins mit dabei sind, ist woanders keinesfalls der Normallfall. In Speyer aber schon.
"Einfach nur Judo machen, das kann ich ja überall", sagt Patrick Schmidt. Aber dass in Speyer mehr dazu gehört, hat er gleich bei seinem ersten Besuch im Judomaxx erlebt. Er kämpfte damals in der Bayernliga für die SG Eltmann, dem Heimatverein von David Riedl, der in der Bundesliga für den JSV kämpft. "Ich habe David einfach mal angesprochen und gefragt, wie das ist bei dem Verein, bei dem er Bundesliga kämpft, und ob ich da vielleicht auch kämpfen kann. Er hat dann ausgemacht, dass ich mit zum Training kommen soll. An dem Tag, wo ich da war, war zufällig der Ball des Sports in Speyer und ich wurde gefragt, ob ich nach dem Training dorthin mitkommen will. Ich war da etwas perplex, und ich hatte natürlich keinen Anzug oder so dabei. Aber ich bin mitgegangen und es war wirklich super als Gelegenheit, das Team besser kennenzulernen. Seitdem bin ich sehr häufig in Speyer, nicht nur zum Training oder zu den Kampftagen, sondern auch etwa für ein Spieleabend oder um gemeinsam mit anderen aus dem Team feiern zu gehen", berichtet Patrick Schmidt.
"Speyer ist kein beliebiger Verein. Allen in Verein, allen im Team liegt etwas am Verein. Und deshalb ist der Zusammenhalt so stark, und deshalb geben alle aufeinander Acht", bringt es Pierre Ederer auf den Punkt.
Philip Müller schloss sich 2019 dem JSV an, nachdem sein bisheriger Verein, der JC Ettlingen, sein Bundesligateam zurückgezogen hatte. "Der Einstieg fiel mir sehr leicht, nicht nur weil mit Franz Haettich ein ehemaliger Teamkollege aus Ettlingen schon in Speyer war. Ich wurde von allen sehr herzlich aufgenommen und war beeindruckt von den Rahmenbedingungen beim JSV, mit dieser tollen Halle und von dem Vereinsumfeld mit so vielen Ehrenamtlichen, die helfen, beispielsweise beim Bundesligakampftag. Ob Kampftags-Organisation, Pressearbeit oder Essen nach dem Kampf, es ist sehr beeindruckend, was die vielen Ehrenamtlichen beim JSV alles auf die Beine stellen. Und dann, dass alle da bleiben, gemeinsam essen und das Team immer noch abends gemeinsam irgendwo hingeht und was unternimmt. Das habe ich woanders nicht erlebt", so Müller.
Auch wenn im Judo bei weitem nicht so viel Geld zu verdienen ist wie in einigen anderen Sportarten, spielen finanzielle Anreize durchaus schon ein Rolle, wenn auch in einem anderen Ausmaß. "Man sieht zum Beispiel an einigen Top-Leuten aus dem Nationalkader, die häufig die Bundesligamannschaft wechseln, dass das Geld schon zieht", erklärt Philip Müller. Und Pierre Ederer ergänzt: "Ich denke, dass es gerade für jüngere Sportler, die zum Beispiel noch zur Schule gehen oder zumindest noch nicht so fest im Berufsleben stehen, sehr reizvoll sein kann, dieses zusätzliche Geld zu haben". Andererseits müssten jüngere Kämpfer bedenken, wie sich der Wechsel zu einem zahlungskräftigen und hochkarätig besetzten Team auf ihre Einsatzchancen auswirkt. "Für meinen Wechsel nach Speyer war neben der menschlichen Komponente ein ganz wichtiger Faktor für mich, dass ich als junger Kämpfer meine Einsätze bekommen würde", erzählt Ederer, der sich zur vergangenen Saison aus mehreren ihm vorliegenden Angebote für das Speyerer entschied.
Das sieht auch Franz Haettich so: "Natürlich gibt es die paar Vereine, bei denen man weiß, dass sie im Prinzip immer in der Finalrunde sind. Da könnte man von besseren sportlichen Perspektiven reden, aber andererseits ist die Frage, wie viele Einsätze du in so einem Team bekommst und wie hoch dein Anteil an dem Erfolg ist." Dass aber sportliche Erfolge für die Teilnahme an der Bundesliga-Finalrunde auch für Speyer in Reichweite sind, dabei sind sich die vier auch einig. "Wir haben den Vorteil, dass wir nicht von wenigen Spitzenleuten abhängig sind. Wir sind an jedem Kampftag praktisch vollständig besetzt und wir haben viele talentierte junge Kämpfer die nachkommen, gleichzeitig gibt es auch keine von den "älteren", die demnächst aufhören werden. Wenn wir so weiter machen wie bisher, und vielleicht in einigen Gewichtsklassen nachbessern, wo wir aktuell noch nicht so stark sind, dann gehe ich davon aus, dass wir in den nächsten drei Jahren den Sprung in die Finalrunde schaffen. Meine Arbeit in Speyer ist jedenfalls noch nicht beendet", erklärt Franz Haettich.
JSV-Teamchef Michael Görgen-Sprau ist froh und stolz, dass das Quartett an Bord bleibt: "Natürlich hätte es ihnen niemand übel genommen, wenn sie diese lukrativen Angebote angenommen hätten, denn schließlich gibt es im Judo nicht viel Möglichkeiten, gutes Geld zu verdienen. Aber auch wenn es Vereine gibt, die finanziell mehr bieten können, und vielleicht auch sportlich – wir haben hier in Speyer etwas, was mehr Wert ist als Geld, und das ist die Gemeinschaft, die wir über Jahre gemeinsam aufgebaut haben hier im JSV, und ich sehe das jetzt auch als eine weitere schöne Bestätigung dieser Arbeit."