Von Klaus Stein
"Der Wald stirbt nicht, wenn er sich selbst regenerieren kann, aber er definiert sich neu - es stirbt nur der 'Försterwald'." Das war eine der wenigen frohen Botschaften und eine Kernaussage im Vortrag des Forstwissenschftlers Volker Ziesling mit dem Titel "Waldwende statt Waldende".

Auf Einladung der Interessengemeinschaft Behinderter und ihrer Freunde (IBF) zeichnete Ziesling bei der gut besuchten Veranstaltung am Samstagnachmittag bei Kaffee und Kuchen in der Begegnungstätte des Vereins ein eher düsteres Bild von der Zukunft des Deutschen Waldes, wenn nicht ganz schnell umgesteuert werde bei der Nutzung der Forste.
Auch räumte er mit einigen "Legenden" auf, nach denen immer noch der Wald - auch in Speyer - behandelt wird. So sei es beispielsweise nicht mehr Stand der Wissenschaft, dass der Wald möglichst gut "durchlichtet" sein soll: "Das fördert auf mittlere Sicht die Durchsteppung, denn das kommt vor allem Pflanzen wie Brombeeren oder Frühblühern zugute", so der Diplom-Forstwirt. Außerdem wird es deutlich wärmer als in beschatteten Bereichen, bei den steigenden Temperaturen ein wesentlicher Faktor.
Neuester Stand der Wissenschft sei es, dass dunkle Wälder, die man weitgehend sich selbst überlässt, am besten mit dem Klimawandel und der zunehmenden Wasserknappheit zurecht kämen: "Wald ist ein sehr komplexes dynamisches System, von den Menschen nicht beherrschbar", ist Ziesling überzeugt. Deshalb seien die meisten Versuche, mit gärtnerischen Maßnahmen neuen Wald anzupflanzen, gescheitert. Da werde die komplette waldeigene Biomasse mit schweren Maschinen abgeräumt, der Boden mehrfach umgegraben, Kunstdünger ausgestreut, um dann Bäume zu setzen, die aus anderen Welt-Regionen stammten und von denen man der Meinung sei, sie wären den zukünftigen Herausforderungen gewachsen. Das sei unter Einsatz erheblicher Geldmittel krachend in die Hose gegangen. Diese Aussagen wurden mit Fotos untermauert.
Alleine in Rheinland-Pfalz würde die Waldbewirtschaftung auf Landesebene mit jährlich 100 Millionen Euro subventioniert. Das sei ein sich selbst erhaltendes lukratives System. Der Wille, bei Landesforsten etwas zu ändern, sei schlicht nicht vorhanden, kritisierte Ziesling.
Auch die Kommunen müssten oft Geld zubuttern für den Wald, in Speyer etwa 150.000 Euro jährlich. Dabei werde seit Jahrzehnten mehr Holz entnommen, als nachwachse. So komme es, das der Holzbestand im Stadtwald nur etwa halb so hoch sei als im Landes- und Bundesdurchschnitt. Besonders schlimm sei, dass ein Gutteil der im Stadtwald geschlagenen Bäume mit Harvestern geerntet würden. Das seien vielfach von Billiglöhnern aus Südosteuropa bediente schwere Maschinen, die den Boden verdichten. Dieses werde dann in Hackschnitzel-Anlagen der Stadtwerke verbrannt: "Holz zu verbrennen ist ökologisch nicht vertretbar."
Dass ein Gutteil des Waldes bei uns eigentlich unter Schutz steht, als FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) ausgewiesen seien, schere von den Verantwortlichen niemand, so Zieslings Vorwurf. Die Stadtverwaltung weigere sich zu überprüfen, ob beispielsweise die vorgeschriebenen zehn Biotopbäume (mit Specht- oder Fledermaushöhlen oder Baumpilzen) je Hektar Wald vorhanden seien. Diese müssten kartiert sein.
In der jüngeren Vergangenheit werde viel Deutsches Holz exportiert, meist nach China: "Die Chinesen schlagen kein eigenes Holz mehr sondern bedienen sich in der sibiruschen Tundra oder bei unseren Buchenbeständen." 90 Prozent des Buchenholzes gingen in den Export sodass Deutsche Sägewerke mangels Material dicht machen müssten.
Dabei seien Eichen- und Buchendomiminierte Wälder den Herausforderungen des Klimawandels gut gewachsen. Fichten und auch Kiefern seien bald auf den Wäldern in der Rheinebene verschwunden.
Als Alternative zum "Försterwald" empfiehlt der Forstexperte das "Lübecker Modell". Das sei naturnahe Waldbewirtschaftung, die eine natürliche Verbreitung von heimischen, standortgemäßen Baumarten unterstütze. Ein sich so entwicklender Wals sei widerstandsfähiger gegen Störungen wie Sturm, Trockenheit oder Borkenkäferbefall. So werde das finanzielle Risiko des Betriebs gesenkt. Das bedeute auch kein Kahlschlag mehr sondern Einzelstammnutzung - Qualität statt Quantität - bei regelmäßigen Erträgen, um nur einige der Vorteile dieses Modells zu nennen.
Neophyten, also ortsfremde Baumarten wie die Frühblühende Traubenkirsche oder der Götterbaum, von den Förstern einst angepflanzt, hätten sich als Problem herausgestellt und müssten aktiv beseitigt werden, so die Forderung Zieslings.
Auch woher das bei uns gebrauchte Holz herkommen soll wusste Ziesling die Antwort: "Wir müssen sorgsamer und nachhaltiger mit dieser nachwachsenden Resource umgehen, Holz nicht weiter als Brennstoff oder Wegwerfartikel betrachten."
IBF-Vorsitzende Brigitte Mitsch bedankte sich beim Referenten mit einem Weinpräsent.
Weitere Infos unter www.waldwende-jetzt.de